Dienstag, 27. Oktober 2009

Literarisches Übersetzen: Ein langer Weg zum Traumberuf

Wer das Übersetzen von Texten zum Beruf machen will, dem stehen verschiedene Bereiche offen. Einen ganz besonderen Reiz übt auf viele das literarische Übersetzen aus, also die Übertragung von Romanen, Gedichten oder Theaterstücken in eine andere Sprache. Doch auf dem Weg zum Literaturübersetzer sind einige Hürden zu meistern.

„Die Hauptschwierigkeit liegt zunächst darin, dass es keinen festen Ausbildungsweg gibt“, meint Ulrich Thiele. Ulrich ist Absolvent des Aufbaustudiengangs „Literarische Übersetzung aus dem Englischen“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er arbeitet jetzt als freier Literaturübersetzer und steckt momentan mitten in seinem zweiten Auftrag: Für einen Verlag überträgt er ein Buch aus dem Englischen ins Deutsche.

Wie die Bezeichnung „Übersetzer“ ist auch die Spezialisierung „Literaturübersetzer“ keine geschützte Berufsbezeichnung, grundsätzlich kann sich jeder so nennen. Ulrich hat einen eher traditionellen Weg zu seinem Traumberuf gewählt. Vor seinem Aufbaustudiengang zum Literaturübersetzer hat er ein Studium der Germanistik abgeschlossen.

Einer der Dozenten des Münchner Aufbaustudiengangs ist Rudolf Hermstein. Seit mehr als 35 Jahren übersetzt er englische Bellestristik und Sachbücher ins Deutsche und hat 2009 den renommierten Münchner Übersetzerpreis erhalten. Literaturübersetzer zu sein, so Hermstein, heißt weit mehr als nur konzentriertes Arbeiten am Schreibtisch. „Neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit gehören auch Recherchen, Bibliotheksbesuche, Akquise von Aufträgen, Verhandlungen mit Verlagen, Korrekturlesen, Auslandsreisen und Teilnahme an Seminaren zum Berufsbild“.

Sich als Übersetzer selbstständig zu machen ist jedoch alles andere als einfach. „Vorteilhaft sind natürlich persönliche Verbindungen zu Verlagen. Wer noch keine hat, kann sie sich beispielsweise durch ein Praktikum erarbeiten,“ meint Ulrich. Auch sein ehemaliger Dozent Rudolf Hermstein betont: „Vom Studium direkt in die Selbstständigkeit – das trifft für die meisten professionellen Literaturübersetzer nicht zu. Viele haben erst in anderen Berufen gearbeitet.“

Und wie sieht die Arbeit aus? Berufsanfänger Ulrich gibt einen Einblick. Nachdem der Vertrag mit dem Verlag abgeschlossen ist und damit Bezahlung und Abgabetermin geregelt sind, ist der Übersetzer erst einmal „mehr oder weniger auf sich allein gestellt“, berichtet er. „Mit Wörterbüchern und verschiedensten Recherchemitteln wühlt man sich dann durch den Text. Bei problematischen Stellen kann man sich natürlich auch mit dem Lektor verständigen.“ Ist das Werk schließlich vollbracht, wird es vom Verlagslektor oder einem freiberuflichen Lektor redigiert. „Die Hürden, die beim Übersetzen zu nehmen sind, unterscheiden sich von Buch zu Buch. Aber das Grundproblem lautet wohl immer: den Stil des Autors zu bewahren und die Atmosphäre des Originals in der eigenen Sprache nachzubilden.“