Donnerstag, 1. Oktober 2009

Traumberuf Konferenzdolmetscher Teil II – Arbeitsalltag und Karrierechancen

Dolmetschen ist nicht gleich Dolmetschen. Welche verschiedenen Formen es beim Konferenzdolmetschen gibt, in welchem Bereich der Konferenzdolmetscher gebraucht wird und wie viel man dabei verdienen kann, erläutern Aleksandra Kwasnik und Andrea Wilming vom Verband der Konferenzdolmetscher (VKD im BDÜ) im Interview. Mehr über Ausbildung und Berufsbild finden Sie im ersten Teil des Beitrags.

Welche Arten des Dolmetschens gibt es?

Generell unterscheidet man zwischen zeitversetztem Dolmetschen (konsekutiv) und zeitgleichem Dolmetschen (simultan). Beim Konsekutivdolmetschen werden Redeabschnitte von bis zu 20 Minuten direkt im Anschluss an die Originalrede wiedergegeben. Hierbei steht der Dolmetscher direkt neben dem Redner und ist in seiner Funktion für alle Beteiligten sichtbar.

Beim Simultandolmetschen erfolgt die Wiedergabe mit wenigen Sekunden Zeitverzögerung. Die Dolmetscher sitzen hierbei in Zweier- oder Dreierteams in einer schalldichten Kabine, empfangen den Originalton über Kopfhörer und sprechen die Verdolmetschung in ein Mikrophon. Sie bleiben im Hintergrund, ihre Stimmen erreichen die Zuhörer über Kopfhörer. Das Simultandolmetschen macht häufig den größten Anteil der Arbeit eines Dolmetschers aus.

Als Sonderform des Simultandolmetschens ist noch das Flüsterdolmetschen zu nennen. Hierbei sitzt oder steht der Dolmetscher hinter oder neben der Person, für die gedolmetscht wird, und flüstert dieser die Verdolmetschung der Redebeiträge zu. Wie beim Simultandolmetschen wird mit mindestens zwei Dolmetschern gearbeitet – und das für höchstens ein bis zwei Zuhörer. Eine Sonderform des Konsekutivdolmetschens ist das Gesprächsdolmetschen, bei dem kürzere Textpassagen in Gesprächssituationen zeitversetzt und abschnittsweise in eine andere Sprache übertragen werden.

In welchen Branchen können Konferenzdolmetscher arbeiten?

Dolmetscher werden überall dort gebraucht, wo internationale Kommunikation stattfindet, wo also Sprach- und Kulturräume zusammenkommen. Dies beschränkt sich nicht auf eine bestimmte Branche, ebenso wenig beschränkt sich die Arbeit von Konferenzdolmetschern auf Konferenzen: Die Bezeichnung „Konferenzdolmetscher“ beschreibt einen ausgebildeten Dolmetscher, der sämtliche Dolmetschtechniken sicher beherrscht.

Konferenzdolmetscher findet man auf mehrsprachigen Fachkonferenzen, Verhandlungen und Vorträgen, Gremiensitzungen, Staatsbesuchen, Radio- und Fernsehsendungen mit ausländischen Gästen, Stadtbesichtigungen, technischen Schulungen, Fortbildungen, Podiumsdiskussionen oder Lesungen, um nur einige zu nennen.

Sind Konferenzdolmetscher in der Regel Freiberufler oder fest angestellt? Was sind die Verdienstmöglichkeiten?

Der größte Arbeitgeber für Simultandolmetscher mit Muttersprache Deutsch ist der SCIC, der Dolmetschdienst der Europäischen Kommission, bei dem insgesamt 60 fest angestellte und 267 freiberufliche Konferenzdolmetscher mit der Muttersprache Deutsch arbeiten.

Eine Festanstellung ist für Konferenzdolmetscher die Ausnahme und findet sich in Deutschland hauptsächlich bei Ministerien und Bundesbehörden, jedoch kaum noch in der freien Wirtschaft. Gemessen am Volumen (Dolmetschtage) ist der freie Markt der weitaus größere Arbeitgeber.

Das Tageshonorar von freiberuflich arbeitenden Konferenzdolmetschern in Deutschland liegt bei etwa 750-900 Euro (abgedeckt sind hiervon die fachliche Einarbeitung in das Thema, die auftragsunabhängigen Kosten uvm.). Das Honorar eines verbeamteten Berufseinsteigers bei den Dolmetschdiensten der Europäischen Kommission oder des Europäischen Parlaments liegt bei etwa 4.000 Euro im Monat.

Englisch scheint vor allem in der Wirtschaft zum absoluten Muss geworden zu sein. Werden Dolmetscher auf lange Sicht nicht immer weniger gebraucht?

Der Beruf des Dolmetschers ist nicht vom Aussterben bedroht. In bestimmten Situationen bestehen gerade diejenigen Personen, die sehr gut Englisch können, auf der Zusammenarbeit mit Konferenzdolmetschern. Konferenzdolmetscher werden weiterhin überall dort zum Zuge kommen, wo Fingerspitzengefühl und Sachgenauigkeit gefragt sind, etwa bei schwierigen Vertragsverhandlungen, Fusionen oder Zeugenvernehmungen, aber auch bei publikumswirksamen Veranstaltungen, wie etwa Standorteröffnungen oder Produktneuvorstellungen. Generell ist es begrüßenswert, wenn die Kommunikation auch so funktioniert, aber gerade die Kommunikation in einer Fremdsprache und -kultur birgt so manche Schwierigkeit oder diplomatische „Fallen“, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind.

So erkennen immer mehr Unternehmen, dass interne und externe Kommunikation unter einer mehr oder minder gut beherrschten Lingua Franca wie Englisch eher leidet, als dass die Beteiligten hiervon profitieren. Auf Führungsebenen setzt sich deshalb inzwischen immer mehr die Überzeugung durch, dass nur hochwertige professionelle Dolmetschdienstleistungen wirklich reibungslose Kommunikation gewährleisten. Internationale Organisationen wie die Europäische Union gehen hier seit Jahren mit leuchtendem Beispiel voran.

Was ist Ihr ganz persönlicher Tipp an diejenigen, die Dolmetscher oder Übersetzer werden wollen?

Machen Sie auf jeden Fall einen Hochschulabschluss im Fach Dolmetschen (z. B. M.A. Konferenzdolmetschen), pflegen Sie Ihre Muttersprache, seien Sie überdurchschnittlich sicher in Ihren Fremdsprachen und gehen Sie einige Zeit ins Ausland, um dort auch die Kultur zu Ihren Arbeitssprachen „am eigenen Leibe“ zu erfahren.