Montag, 16. November 2009

Dolmetscher und Übersetzer – zwei Berufe oder einer?

Viele junge Menschen lieben Sprachen und träumen davon, als Dolmetscher oder Übersetzer zu arbeiten. Norma Keßler ist Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer und selbst Diplom-Übersetzerin. Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass die beiden Berufe oft verwechselt oder gar als ein Beruf betrachtet werden. Es handelt sich jedoch um zwei Berufe: Sowohl der Berufsalltag als auch die Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern sind unterschiedlich. Im Interview erläutert Sie die Unterschiede.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Beruf des Übersetzers und dem Beruf des Dolmetschers? Übersetzer sitzen bei der Arbeit am Computer und arbeiten mit Texten: Sie übertragen Bedienungsanleitungen, Verträge oder Bücher schriftlich von einer Sprache in die andere. Dolmetscher hingegen arbeiten mündlich und sind bei der Arbeit viel unterwegs, zum Beispiel auf internationalen Konferenzen. Sie übertragen das gesprochene Wort von einer Sprache in die andere.

Sollte ein Dolmetscher also eher extrovertiert sein?
Auf jeden Fall sollte ein Dolmetscher kommunikativ sein, manchmal braucht er sogar auch schauspielerische Fähigkeiten, um nicht nur die Worte, sondern auch die damit vermittelten Emotionen entsprechend zu übertragen. Aber wichtiger noch ist eine rasche Auffassungsgabe, gepaart mit einer guten Konzentrationsfähigkeit. Denn Dolmetscher müssen gleichzeitig oder nur leicht zeitversetzt hören, übertragen und sprechen. Dabei kommt es wesentlich darauf an, den Sinn des Gesprochenen zu erfassen und zu übertragen und nicht am einzelnen Wort zu kleben. Eine breite Allgemeinbildung hilft, auch mit unerwarteten Situationen zurechtzukommen.

Und der Übersetzer – was braucht er als Rüstzeug?

Der Übersetzer muss Texte akkurat und die Inhalte genau übertragen. Dazu braucht er nicht nur ausgezeichnete Sprachkenntnisse. Wenn er zum Beispiel längere Texte wie etwa ein Buch übersetzt, braucht er auch einen langen Atem. Gute Computerkenntnisse und ein technisches Grundverständnis sind außerdem nötig, denn die meisten Übersetzer müssen für ihre Arbeit mit unterschiedlichen Textprogrammen und spezieller Software für Übersetzer wie zum Beispiel „Translation-Memory-Systemen“ arbeiten. Das sind Datenbanken, die dem Übersetzer dabei helfen, bei umfangreichen Texten alles konsistent zu übersetzen.

Die Berufsbezeichnungen „Dolmetscher“ und „Übersetzer“ sind nicht geschützt. Benötigt man also keine spezielle Ausbildung?
Doch. Gerade weil der Beruf nicht geschützt ist, braucht man eine fundierte Ausbildung, um sich von den Mitbewerbern positiv abzuheben. Außerdem ist der Beruf sehr anspruchsvoll. Es gibt natürlich Menschen, die zwei oder mehr Sprachen gut beherrschen, weil sie zum Beispiel in verschiedenen Ländern aufgewachsen sind. Dennoch sind sie nicht automatisch gute Dolmetscher und Übersetzer, denn für beide Tätigkeiten benötigt man auch handwerkliches Rüstzeug, das durch eine entsprechende Ausbildung vermittelt wird.

Was genau lernt man im Studium?
Zum einen geht es um eine Vertiefung der Kenntnisse in den Fremdsprachen, aber ebenso auch in der Muttersprache. Darüber hinaus ist das Übersetzen und Dolmetschen auch „Handwerk“. Man muss für beide Berufe zum Beispiel lernen, Texte zunächst sprachlich zu analysieren, um sie dann angemessen übertragen zu können. Dazu muss man die Terminologie, also den Fachwortschatz eines Gebietes, erarbeiten und lernen, diesen korrekt von einer in die andere Sprache zu übertragen. Und man muss die „falschen Freunde“ zwischen zwei Sprachen – also scheinbar ähnliche Strukturen oder Ausdrücke, die aber etwas ganz anderes bedeuten – erkennen. Als drittes Element einer Ausbildung kommt noch die exemplarische Einarbeitung in ein Fachgebiet hinzu, denn ein Text hat ja auch immer ein Thema. Nur wenn man dieses versteht, kann man sich an die Übersetzung machen. Daher lernt man im Studium auch, wie man sich möglichst schnell und effizient in ein neues Fachgebiet einarbeitet.

Wie sind die Berufsaussichten?

In einer Zeit der Globalisierung und der weltumspannenden Kommunikation sind die Aussichten für Dolmetscher und Übersetzer natürlich gut. Laut der Studie einer amerikanischen Beratungsfirma soll der Bedarf an Dolmetsch- und Übersetzungsdienstleistungen in den nächsten Jahren um 10 Prozent pro Jahr steigen. Aber natürlich gibt es überall auf der Welt Dolmetscher und Übersetzer und die Konkurrenz ist groß. Da die Mehrheit der Dolmetscher und Übersetzer freiberuflich arbeitet, ist es für sie wichtig, sich fachlich auf bestimmte Themen oder Branchen zu spezialisieren, um sich erfolgreich am Markt zu behaupten.

Wer weitere Fragen zum Beruf und zur Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern hat, der erhält auf der Expolingua am Messestand A 42 des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) kompetente Beratung.

Foto: Monika Harling